Steuerhinterziehung durch Unterverbriefung – und dennoch wirksam?
In seinem Urteil vom 15. März 2024 (V ZR 115/22) hat der Bundesgerichtshof (BGH) eine wegweisende Entscheidung zur rechtlichen Behandlung von sogenannten Schwarzgeldabreden im Rahmen von Grundstückskaufverträgen getroffen. Hierbei handelt es sich um die Praxis, den Kaufpreis im notariellen Vertrag niedriger anzugeben, als er tatsächlich vereinbart wurde, um Steuern zu hinterziehen – eine häufige und gefährliche Praxis, die weitreichende rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen kann.
1. Wirksamkeit trotz Schwarzgeldabrede
Entscheidend stellte der BGH fest, dass der Kaufvertrag in der Regel nicht aufgrund der Schwarzgeldabrede nichtig ist. Dies gilt insbesondere dann, wenn der eigentliche Zweck des Vertrags – der Austausch von Grundstück gegen Kaufpreis – ernsthaft gewollt ist. Der Kaufvertrag bleibt also wirksam, wenn die Steuerhinterziehung nicht der Hauptzweck des Geschäfts ist, sondern nur ein „Nebenzweck“ war.
Nach dem BGH wird der Vertrag nur dann als nichtig angesehen, wenn die Steuerhinterziehung der alleinige oder hauptsächliche Zweck des Vertrages war. In den meisten Fällen steht jedoch der Leistungsaustausch im Vordergrund, weshalb die Nichtigkeit nicht greift. Dies entspricht der bisherigen Rechtsprechung (NJW 1966, 588 [589]; NJW-RR 2002, 1527).
2. Abgrenzung zu Dienst- und Werkverträgen
Ein entscheidender Punkt des Urteils ist die Abgrenzung zu Dienst- und Werkverträgen, bei denen der BGH bereits in der Vergangenheit eine Nichtigkeitsfolge im Rahmen des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes (SchwarzArbG) angenommen hat. Anders als bei solchen Verträgen, wo eine Schwarzgeldabrede regelmäßig zur Unwirksamkeit des gesamten Vertrags führt, verbleibt der Grundstückskaufvertrag trotz der Steuerhinterziehung wirksam.
Beim Immobilienkauf steht der Austausch von Eigentum gegen Geld im Vordergrund, und nicht die Schwarzgeldabrede, weshalb die Regelungen des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes hier nicht direkt anwendbar sind. Diese Differenzierung zeigt, dass nicht alle Schwarzgeldabreden automatisch zur Unwirksamkeit eines Vertrags führen, wie es im Werkvertragsrecht der Fall ist.
3. Heilung des Formmangels
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist, dass der Formmangel, der sich durch die falsche Angabe des Kaufpreises als Scheingeschäft (§ 117 BGB) ergibt, durch die Auflassung und Eintragung ins Grundbuch geheilt wird. Dies bedeutet, dass trotz der falschen Preisangabe die Eigentumsübertragung wirksam bleibt, sobald der Käufer als Eigentümer im Grundbuch eingetragen wurde. Der Verkäufer kann sich in einem solchen Fall nicht darauf berufen, dass der Vertrag nichtig sei, um den Eigentumsübergang rückgängig zu machen.
4. Rechtliche Folgen und Implikationen für die Praxis
Für Käufer und Verkäufer von Immobilien hat dieses Urteil weitreichende Folgen. Selbst wenn ein Kaufpreis bewusst niedriger angegeben wird, um Steuern zu sparen, bleibt der Vertrag in der Regel bestehen. Dies stärkt die Rechtssicherheit im Immobilienkauf und macht deutlich, dass der BGH den eigentlichen Zweck des Vertrags – den Kauf und Verkauf von Grundstücken – über die Steuerhinterziehungsabsicht stellt.
Wichtig: Die Steuerhinterziehung bleibt natürlich strafbar und zieht erhebliche finanzielle und strafrechtliche Konsequenzen nach sich. Käufer und Verkäufer sollten sich daher bewusst sein, dass sie durch eine Schwarzgeldabrede zwar nicht den Kaufvertrag anfechten können, aber dennoch mit strafrechtlichen Sanktionen rechnen müssen.
Fazit: Keine Entwarnung bei Schwarzgeldabreden
Auch wenn der Kaufvertrag wirksam bleibt, führt die Steuerhinterziehung nicht nur zu rechtlichen, sondern vor allem zu strafrechtlichen Problemen. Käufer und Verkäufer sollten sich klar sein, dass die Eintragung ins Grundbuch nicht vor strafrechtlicher Verfolgung schützt. Wer auf Nummer sicher gehen möchte, sollte auf solche Vereinbarungen verzichten und sich rechtlich einwandfrei absichern.